Über Nullen und Einsen, Sportlichkeit und die besondere Rolle von Balance in unserem Leben
29 September, 2022

Wie nutzt man am besten die eigenen Ressourcen und wie plant man diese, um alles unter einen Hut zu bekommen? Dieser Beitrag widmet sich ganz den Themen Ressourcen und Balance. Die Singer-Songwriterin Sue Gerger beschreibt in dieser Folge, wie sie es geschafft hat, die vielen unterschiedlichen Bereiche ihres Lebens unter einen Hut zu bekommen und zeigt dabei auf, wie wichtig es ist, auch einmal einen Aspekt des Lebens kurz zurückzunehmen, um dafür einen anderen Teil aktiver zu leben. Los geht’s mit Sue Gerger!
Sue studierte an der Uni Wien technische Mathematik und begann nach ihrem Studium als Programmiererin. Sie ist als Singer-Songwriterin tätig und veröffentlicht in den kommenden Monaten ihr neuestes Album. In ihrer Freizeit studiert sie Philosophie und arbeitete an der Uni Wien auch als Tutorin. Aufgenommen wurde diese Podcast Folge im Studio T3 in Wien.
Was kann mir das Leben ermöglichen, das ich aktuell Leben möchte?
Unser Gast spricht darüber, wie wichtig es ist, sich konkrete Gedanken darüber zu machen, welche finanziellen Ressourcen man selber braucht, um alles zu haben, was man zum Leben benötigt und auch um die eigenen materiellen Ziele erreichen zu können. Sie empfiehlt, neben anderen Kriterien, den eigenen Job und die eigene Arbeitszeit davon abhängig zu machen, was man sich für das Leben wünscht, das man aktuell Leben möchte.
Das bunte Farb-Spektrum als Grundtonus von 0 und 1
Sue nennt als Grund für die Balance zwischen ihrer Tätigkeit als Programmiererin, Musikerin und Studentin, dass sich diese unterschiedlichen Felder gegenseitig beflügeln und es für jeden dieser Bereiche immer einen richtigen Zeitpunkt gibt. Die Mathematik sorgt für die Logik und den strukturierten Blick auf die Welt, die Philosophie schult den Blick darauf, dass es ein breites Farb-Spektrum gibt und nicht nur die binären Nullen (0) und Einsen (1). Die Musik fungiert als Grundtonus dafür, den Blick für das eigene Innenleben zu schärfen. Das heißt, dass jeder Teil mal mehr gelebt wird, wenn er benötigt wird oder weniger, wenn sich der Fokus vorübergehend verschiebt.
Ich bin so lange unsportlich, wie ich unsportlich bin.
Im Vergleich zu Maschinen schalten wir Menschen uns nicht einfach ab, wenn wir überhitzen, was in manchen Situationen etwas Positives wäre. Die ständige Überhitzung kann aber gravierende Folgen für unseren Körper und unsere Psyche haben. Weshalb es umso wichtiger ist, auf Körper und Geist zu achten. Sport wird hier als ein besonders wichtiger Aspekt genannt. Vor allem die Ermutigung, dass man nur so lange unsportlich ist, solange man unsportlich ist. Was bedeutet, dass sobald wir beginnen Sport zu machen, man dadurch Stück für Stück sportlicher wird.
Mit sich selbst in Verbindung kommen
Die Gesellschaft bietet ständig Reize an, weshalb es notwendig ist, immer wieder Momente der Ruhe zu nutzen, um wieder mehr mit sich selbst in Verbindung zu kommen. Durch die hohe Menge an Reizen sind genau diese Momente der Ruhe notwendig, um Erlebnisse zu verarbeiten. Als Buchempfehlung nennt Sue das Buch mit dem ungewöhnlichen Titel: „der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“, von Oliver Sacks, da dieses Buch dafür sorgt, den eigenen Körper und Geist mehr wertzuschätzen und dankbar zu sein.
Wie geht es weiter?
Jeden Monat setzen wir uns mit spannenden Persönlichkeiten zusammen, um relevante Themen der Arbeit, LifeDesign und Future Skills zu besprechen. Sei also dabei, wenn wir gemeinsam darüber reden, was wirklich wichtig ist, nämlich der gemeinsame Fortschritt!
Wenn dieser Beitrag Dein Interesse geweckt hat, dann sieh Dir die aktuelle Podcast-Folge auf Youtube an.
Podcasts sind nicht dein Ding?
Arno Kersche
Hallo und herzlich willkommen. Mein Name ist Arno Kersche und ich sitze hier heute mit der Singer Songwriterin Sue Gerger. Sue bringt in den nächsten Monaten ihr neues Album raus. Sie ist tätig als Programmiererin, hat davor technische Mathematik studiert, in ihrer Freizeit studiert sie Philosophie und war auch als Tutorin an der Uni Wien tätig. Sue schön, dass du da bist.
Sue Gerger
Danke für die Einladung.
Arno Kersche „Wie kam es zum neuen Album?“
Sue dein nächstes Album kommt jetzt nach elf Jahren raus und da stellt sich die Frage, was hat dich dazu bewegt, nach elf Jahren wieder ins Studio zu gehen?
Sue Gerger
Es ist so, dass ich als Kind und auch in meiner Schulzeit sehr viel in Richtung Musik tätig war. Es war ein Hauptbestandteil meines Lebens und ich habe Instrumente gelernt und diese dann auch gespielt. Ich habe meine ersten Songs geschrieben und hatte auch das Glück, zur rechten Zeit am richtigen Ort die richtigen Menschen kennenzulernen. Und in diesem Rahmen hat sich ergeben, das erste Album aufzunehmen. Nach der Matura habe ich mich dann dazu entschieden, technische Mathematik zu studieren. Das Studium war sehr kräftezehrend und Kräfte raubend und ich sage bewusst auch raubend. Es war eine sehr anstrengende Zeit und ich war am Anfang noch sehr bemüht, alles gleichzeitig zu managen, alles zu machen und nichts aufzugeben an den Tätigkeiten, die ich so gewohnt war. Und ich habe schnell bemerkt, dass das so nicht funktioniert. Daraufhin ist dann langsam, aber sicher die Musik in den Hintergrund gerutscht und ich habe mich hauptsächlich auf das Studium konzentriert.
Nach dem Studienabschluss war mir aber klar: das kann und soll so nicht bleiben, mir war klar ich will mein Leben auf eine Art und Weise umstrukturieren, dass die Musik wieder ihren Platz findet.
Und ich habe mich dagegen entschieden, eine unhinterfragte Karriere zu starten, die in diese Laufbahn nach diesem Studium, das ich gemacht habe, vermutlich einfach einzuschlagen gewesen wäre. Und habe mir stattdessen überlegt: „Was möchte ich vor allem finanziell gesehen?“ „Was brauche ich?“ „Was brauche ich, um meine Grundbedürfnisse zu befriedigen?“ „Was brauche ich, um eine gewisse Sicherheit zu empfinden und darüber hinaus?“ „Was möchte ich darüber hinaus noch an finanziellen Ressourcen haben, um mir andere Dinge auch zu ermöglichen, die mir wichtig sind und Freude bereiten?“ Und dann ist ein Betrag zustande gekommen und aufgrund dieser Summe, die ich brauche, um über die Runden zu kommen, habe ich dann wiederum einen Job gesucht. Ich hab geschaut, was gibt es da und was kann mir das Leben ermöglichen, wie ich es halt gerne führen möchte im Moment. Und so bin ich bei der Softwareentwicklung gelandet und habe jetzt einen Job, der mir sehr, sehr viel Spaß macht und der mir darüber hinaus mit der Flexibilität und mit der Zeit, da ich ja in Teilzeit Anstellung bin, die Möglichkeit gibt, Musik auf diese Art und Weise zu betreiben, wie ich das gern möchte. In diesem Zuge habe ich dann endlich die Zeit gehabt, das zu verwirklichen, was mir eigentlich schon die letzten Jahre im Kopf vorgeschwebt ist. Und ich habe das zweite Album aufgenommen das jetzt so weit fertig ist, dass es die kommenden Monate veröffentlicht werden kann.
Arno Kersche „Wie bringt man Balance in das eigene Leben?“
Das ist großartig. Vor allem klingt es so, als würdest du eine gute Balance halten können. Ich sehe jetzt mal eine Balance zwischen Mathematik, Softwareentwicklung, Musik, Philosophie. Wie machst du das? Also, wie hältst du diese Balance?
Sue Gerger
Ich habe das Gefühl, dass ich gar nicht so viel reinstecken muss, damit ich die Dinge in Balance bringe. Ich habe eher das Gefühl, dass dadurch, dass ich genau diese Dinge mache, die ich mache, sie mir die Balance bringen. Und ich habe das Gefühl, das hat viel damit zu tun, dass eine große Freude in meinem Leben die ist, verschiedene Perspektiven, die ich vorher noch nicht so kannte, auf verschiedene Art und Weisen auf die Welt zu schauen, die ich vorher noch nicht so kennengelernt habe, neu zu entdecken. Ich denke, dass das genau diese drei Sparten sind, die mir diesen Zugang auch geben. Also beispielsweise mit dem Mathematikstudium habe ich einen Zugang zur Welt bekommen, der sehr strikt war und sehr strukturiert. Ich habe gelernt, in Kategorien einzuteilen und mich auf gewisse Logiken einzulassen. Und wenn man die ableitet, dann kommt man zu Wahrheiten. Alles, was durch diese Logik nicht plausibel gemacht werden kann, ist keine Wahrheit. Also es war, dieser strukturierte Blick auf die Welt. Und dann nach dem Mathestudium die Philosophie, die mir dann gezeigt Okay hat, schön, jetzt hast du dir diesen Blick erarbeitet und deine Kategorien. Aber wenn du Lust hast, dann lass sie einfach fallen. Also ich schaue auf andere Art und weisen in die Welt. Es gibt so ein breites Spektrum, die Welt auf andere Art und Weisen zu sehen. Und es gibt nicht nur dieses null und eins und wahr und falsch, sondern es gibt dieses breite farbspektrum und die Philosophie hat mir dazu den Zugang gegeben und die Musik als Grundtonus ist so durch mein Leben durch, sie hat mir wiederum eine Innenperspektive gegeben. Sie hat mir gezeigt, wie ich in der Lage bin, vielleicht zu verstehen, was drinnen vor sich geht, und das Ganze zu verbalisieren. Ich glaube, wenn man etwas verbalisieren möchte, dann bedeutet das in erster Linie, dass man zuerst diese Sache von allen Seiten betrachtet und so gut wie möglich erfasst. Und das Songschreiben ist für mich nichts anderes als Verbalisieren. Und dementsprechend habe ich viel verstanden, wie ich das, was so in mir ist, vielleicht ein kleines Stück zu verstehen, aber auch nach außen hin zu transportieren.
Arno Kersche „Wie bringt man das alles unter einen Hut?“
Das klingt auch so, als würde sich das alles sehr gut ergänzen, was du beschrieben hast. Es klingt sehr stark danach, dass du das alles sehr gut unter einen Hut bekommst. Ist es auch so, dass es manchmal einfach Phasen gibt, wo du einen dieser Aspekte mehr lebst und einen anderen Aspekt dann vorübergehend bisschen zurückschalten musst?
Sue Gerger
Also das ist auch ein wichtiger Punkt. Ich habe vorhin erwähnt, dass im Mathematikstudium die Musik in den Hintergrund gerückt ist und dass ich zwar versucht habe, alles unter einen Hut zu bringen, aber dass ich kläglich versagt habe. Und dass das auch vollkommen okay ist, weil ich habe daraus halt die große Erkenntnis gezogen, dass dieser Hut, den wir da zur Verfügung haben, der hat einfach eine bestimmte Größe und egal wie sehr, wir möchten da alles rein zu stopfen, es geht einfach nicht. Und ich glaube dieser Hut ist dynamisch. Also ich glaube mein Hut ist manchmal größer, manchmal kleiner aber, was ich aus dieser Phase auch in meinem Leben mitgenommen habe, ist, dass ich in einer ständigen Schleife mit mir selbst bin. Und abcheck wie groß ist der Hut? Wie groß ist die Kapazität, die mir im Moment zur Verfügung steht? Ich glaube, dass das ganz essenziell ist, weil jede Maschine, schaltet sich einfach ab, wenn sie überhitzt und das automatisch. Und ich glaube, das ist eine mit Vorsicht zu genießende, Qualität von uns Menschen, dass wir diesen Schalter in der Form einfach nicht haben. Wir funktionieren auch gut über diesen Punkt der Erhitzung hinaus. Und ich glaube schon, dass das auch seine guten Seiten hat. Ich glaube sogar, dass es manchmal wichtig ist und vielleicht sogar überlebenswichtig. Aber wenn wir ständig in diesem Modus bleiben, von dieser Überhitzung und weiter und weiter und weiter machen, dann glaube ich, dass sich das ganz gravierend früher oder später auf unseren Körper und auf unsere Psyche auswirkt. Und was wir Menschen auch so leicht vergessen ist, dass unser Körper und unsere Psyche die Grundvoraussetzung für alles ist, was wir im Leben machen können und was wir im Leben überhaupt sein können.
Arno Kersche „Ich bin so lange unsportlich, wie ich unsportlich bin“
Ich mag dieses Bild mit, mit der Maschine, mit dem Abschalten. Was machst du damit deine Maschine, also du als Mensch, und dein körperliches Wohlbefinden gegeben ist, also dass du körperlich funktionierst? Jetzt mag ich das Wort funktionieren nicht, aber ich glaube, du, du weißt, was ich meine.
Sue Gerger
Also grundsätzlich kann ich sagen, ich habe eigentlich bis vor kürzerem ganz, ganz stark mit dem Glaubenssatz gelebt Ich bin unsportlich, also Sport, das ist nicht so meins, ich bin eher so faul, es ist anstrengend, es fühlt sich nicht gut an und vielleicht gibt es da die Leute, die von sich sagen, sie sind sportlich, die genießen vielleicht sogar dieses Gefühl, aber ich nicht, und gut bin ich auch nicht drin. Und dann hatte ich eine wahnsinns Erkenntnis für mich selbst, nämlich die Erkenntnis ich bin so lange unsportlich, solange ich unsportlich bin. Es klingt vielleicht ein bisschen blöd und simpel aber was ich damit meine, ich kann zu jedem Zeitpunkt meines Lebens mich dazu entscheiden aufzustehen. Ich kann mich entscheiden, aufzustehen und aktiv was zu tun und aktiv was in meinen Körper zu investieren und reinzustecken. Was mir auch hilft, in eine Handlung zu kommen und nicht in diesem Gedankenkonstrukt zu verweilen, ist dieser Gedanke, dass ich ja im Endeffekt alles bin, was ich auch in diesen Körper reinstecke. Also ich bin ich bin die Gelenke, die ich jeden Tag bewege oder eben nicht. Ich bin die Muskeln, die ich jeden Tag stärke oder aber auch nicht. Genau das gleiche fühlt sich für mich, was die Ernährung betrifft an, also alles an Haut, das ich bin und alles Fleisch, das ich bin. Das ist alles, was ich die letzten Jahre und die letzten Monate an Nahrung, an Nahrungsmitteln zu mir genommen habe. Und ich denke, dass es von uns Menschen oft der Fehler ist, dass wir den Körper viel zu wenig wertschätzen. Also was wir alles tun im Alltag, wir machen, wir arbeiten und der Körper, der läuft so nebenbei mit, weil er funktioniert, es fällt uns gar nicht auf. Und ich glaube, wenn es uns nicht auffällt, dann bedeutet es auch, dass wir nicht genügend Wertschätzung in diesen Körper hineinstecken. Und wir funktionieren ja auch so, erst wenn wir krank sind, gehen wir zum Arzt. Wenn uns was wehtut, dann gehen wir zur Physiotherapie und dann machen wir unsere Übungen und dann hört der Schmerz auf. Und dann hört auch die Physiotherapie auf und wir hören eben auf in den Körper zu investieren. Obwohl jeder von uns vermutlich schon das eine oder andere Wehwehchen hatte oder wirklich eine ernstere Krankheit und wir uns gedacht haben Verdammt, ich habe zu wenig geschätzt, was halt ich früher hatte. Und da möchte ich ansetzen. Ich möchte verkehrt herum denken, ich möchte den Körper schätzen, weil ich weiß, was er für mich tut. Und ich möchte machen, dass es ihm und damit es mir so lange wie möglich bestmöglich geht.
Arno Kersche
Also eigentlich eine Vorsorge, könnte man eigentlich sagen.
Sue Gerger
Genau.
Arno Kersche „Ruhe gönnen für mentale Fitness und Reizverarbeitung“
Um bei dem Bild mit der Maschine zu bleiben. Alan Turing sagte ja, in der Maschine wohnt ein Geiste inne. Was tust du, um dich geistig, mental fit zu halten?
Sue Gerger
Das ist eine sehr große Frage, da kann man wahrscheinlich viele verschiedene Antworten geben, aber die, die für mich auch im Vordergrund grade steht, wenn ich auch so retrospektiv auf diese Phase in meinem Studium blicke, die für mich sehr stressig auch war, dass Ruhe so ein Faktor ist, den ich für mich auch immer mehr praktizieren möchte und mir noch mehr gönnen möchte. Ich habe das Gefühl, dass unsere Gesellschaft, in der wir so leben und funktionieren, die schenkt uns nicht so viel davon, freiwillig. Ich glaube eher, die Gesellschaft, die bietet uns Reize an, wir können ständig kommunizieren, wir können Medien konsumieren, wir können Nachrichten schauen, wir können auf sozialen Medien uns rumtreiben. Aber genau deswegen glaube ich, dass es extrem wichtig wäre, wenn wir einen Schritt zurück machen und uns diese Ruhe auch aktiv nehmen und gönnen. Weil ich glaube, dass erstens in der Ruhe die Möglichkeit ist, mit sich selbst einmal ein bisschen mehr in Verbindung zu kommen und zu fragen so „Hey, wie geht es mir eigentlich?“ „Fehlt mir irgendwas?“ „Tut mir etwas weh oder geht es mir gerade gut?“ „Und will ich das vielleicht einfach nur mal fühlen und spüren?“ Und was glaube ich auch ganz wichtig ist, ist in der Ruhe diese Möglichkeit, auch Dinge verarbeiten zu können. Ich denke, dass wir erstens ständig konfrontiert sind mit Reizen, ob wir wollen oder nicht, und zweitens auch jeden Tag unendlich viele Situationen durchleben. Aber wir kommen nie zur Ruhe, um einmal wirklich zu schauen was diese Situationen mit uns machen. Manche sind vielleicht nett und schön, manche sind schwierig, manche sind sogar traumatisierend. Aber das ist der Kopf, der eigentlich dafür da wäre, um das Ganze mal zu verarbeiten, der ist ja ständig damit beschäftigt, die Reize von außen zu verarbeiten und nicht die, die sich in uns befinden. Und dementsprechend halte ich es für einen wesentlichen Faktor, dass wir mehr uns selbst auch diese Ruhe gönnen, um diese Prozesse auch durchleben zu können und uns selbst vielleicht so ein bisschen mehr zu spüren und wahrzunehmen.
Arno Kersche „Was empfiehlt Sue Gerger ihrem 18 Jährigen Ich?“ „Mut zum NEIN sagen“
Wenn wir jetzt an dieses Wahrnehmen denken und auch an die Ruhe. Wenn du dir jetzt vorstellst, du gehst in ein Kaffeehaus und du siehst da dein 18 jähriges Ich sitzen, die 18-jährige Sue. Was würdest du der 18-jährigen Sue mit auf den Weg geben?
Sue Gerger
Ich glaube diese 18-jährige Sue in dem Kaffeehaus wäre furchtbar viel damit beschäftigt, Dinge zu tun, die sich so ergeben haben, also Chancen und Möglichkeiten, die sich so geboten haben und zu der sie „ja“ gesagt hat. Also ich glaube, ich war damals wirklich da, ich rede auch viel von von Jobs, von Praktika, von allem, was so dazugehört, um seine Laufbahn zu starten. Da haben sich viele Gelegenheiten aufgetan und ich war dankbar dafür. Ich dachte „Wow, so eine Chance da sagt man nicht nein.“ Und wenn ich jetzt so im Nachhinein drauf zurückblicke, dann habe ich mich wirklich schon öfter gefragt ok, was davon habe ich wirklich aus mir selbst heraus getan und was davon habe ich gemacht, weil es sich einfach so ergeben hat? Und die Antwort ist zwiegespalten und deswegen würde ich meinem 18-jährigen ich auch sagen Hey, „schau, vielleicht eine Spur genauer hin, sei offen, das ist vollkommen super, sei offen, wenn deine Gelegenheit kommt, dann schau sie dir an und sei offen dafür.“ Aber gleichzeitig überlege dir folgendes, „Überleg dir, wo will ich eigentlich hin?“ „Was möchte ich eigentlich?“ Vielleicht habe ich ein Ziel, ein konkretes. Vielleicht habe ich das gar nicht, weil ich eigentlich nicht so genau weiß, was ich noch in meinem Leben will oder was ich mit mir anfangen will. Aber vielleicht habe ich eine Richtung oder vielleicht habe ich einen eigenen Weg, den ich gehen möchte. Dann möchte ich meinem ich sagen „Jetzt check die Möglichkeit, die dir jetzt da angeboten wurde, ist es eine Möglichkeit, die dich in diese Richtung bringt, die du gehen willst?“ Oder es ist eine Möglichkeit, die dich vielleicht weit davon entfernt auf einen anderen Weg schickt. Und ich denke, ich möchte meinem 18-jährigen ich sagen: „sei mutig genug, nein zu sagen, wenn du merkst, dass diese Möglichkeit, diese Gelegenheit, die sich da auftut, so weit dich davon entfernt, was du eigentlich machen willst.“ Und auch wenn es vielleicht beängstigend ist, denn vielleicht ist es bequem, ja zu sagen zu so einer Gelegenheit, weil es ist stressig, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, „was möchte ich?“ „Wer bin ich?“ „Was will ich?“ „Wo will ich hin?“ Aber aus Bequemlichkeit Ja zu sagen, oder vielleicht habe ich Angst davor, diese Möglichkeit abzusagen und dann vor nichts zu stehen. Also verständlich ist es ja, warum man diese Wege geht. Aber ich glaube trotzdem, dass es sich in den meisten Fällen in jedem Leben lohnt, sich diese Frage vorher zu stellen und auch diesen Mut zu haben, in den passenden Gelegenheiten Nein zu sagen. Und dieses Vertrauen haben, dass wir uns, wenn wir jetzt Nein sagen, die Chance erschaffen, neue Möglichkeiten zu finden, die uns dann vielleicht eher auf einen Weg bringen, der mehr uns entspricht.
Arno Kersche „Blinkist Buchempfehlung“
Das mit dem Mut, ist spannend, denn ich glaube, oft braucht es einfach auch einen neuen Input von außen und manchmal auch Dinge, die, wie soll ich sagen, inspirieren, wo man früher vielleicht nicht dran gedacht hat. Und wir haben schon vor dieser Folge drüber gesprochen, dass wir ja eine Blinkist Playlist mit Bücher-Empfehlungen von unseren Gästen haben. Welches Buch würdest du unseren Zuhörern und Zuhörerinnen empfehlen?
Sue Gerger
Also ein Buch, das sehr meine Art und Weise, auch meinen Körper, meinen Geist wahrzunehmen und auch wertzuschätzen, sehr beeinflusst hat, ist ein Buch von Oliver Sacks mit dem außergewöhnlichen Titel Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte. Der Autor ist ein britischer Neurologe und hat in diesem Buch einige Fälle von Patientinnen und Patienten geschildert, die zu ihm kommen mit neurologischen Störungen und mit neurologischen Problemen. Und ich finde, dass er in seinen kurzen Geschichten jeweils über diese Patienten und Patientinnen Fälle auf eine Art und Weise berichtet, sodass ich ein extremes Gefühl von Faszination und Dankbarkeit unserem Körper und dem ganzen Organismus gegenüber empfunden habe. Er beschreibt auf so faszinierende Art und Weise, wie komplex eigentlich das ist, was wir da so sehen, was wir als selbstverständlich betrachten. Und es ist so ein Zahnrad, also eine Menge von Zahnrädern, die so ineinander verschränkt funktionieren, und es ist großartig, dass es funktioniert. Aber es ist auch so einschneidend und so katastrophal, wenn ein so ein Zahnrad mal nicht funktioniert. Und ich habe das Gefühl, dass dieses Buch mit diesen Geschichten und auch mit diesem Verständnis, dass es vermittelt von körperlichen Funktionalitäten und eben diss-funktionalitäten, mir wirklich so eine gewisse Dankbarkeit, eine Demut als Gefühl vermittelt hat, die mich auch sehr motiviert, meine Dankbarkeit auszudrücken mir gegenüber, in dem ich auf respektvolle und fürsorgliche Art und Weise mit mir selbst umgehe, mit meinem Körper umgehe, mit meiner Psyche umgehe, sodass es mir, solange ich Einfluss drauf habe und solange ich kann, so gut wie möglich geht.
Arno Kersche
Dass es mir so lang, so gut wie möglich geht. Das ist eigentlich ein sehr schöner Abschluss, finde ich.
Sue Gerger
Tatsächlich kann man nehmen.
Arno Kersche
Kann man nehmen. Liebe Sue, danke dir vielmals. Das war fantastisch. Die Zeit ist verflogen und wenn ihr noch mehr darüber lernen wollt, über mentale und körperliche Fitness, dann besucht uns auf www.worklifelearn.com Danke euch. Und auf bald.